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Kein Anspruch des Grund­ei­gen­tü­mers auf Umschrei­bung des Grund­buchs nach Löschung einer recht­mä­ßigen Zwangs­ein­tra­gung

Beschluss vom 21. September 2023 – V ZB 17/​22

 

Der unter anderem für Rechts­be­schwerden in Grund­buchs­a­chen zustän­dige V. Zivil­senat hat entschieden, dass der von einer recht­mäßig zustande gekom­menen Zwangs­ein­tra­gung im Grund­buch betrof­fene Eigen­tümer nach deren Löschung keinen Anspruch auf Umschrei­bung des Grund­buchs hat.

 

Sach­ver­halt:

 

Die Rechts­be­schwer­de­füh­rerin ist Eigen­tü­merin mehrerer Wohnungs­ei­gen­tums-einheiten. In Abtei­lung II der Wohnungs­grund­bü­cher wurden jeweils ein Vermerk über die Anord­nung der Zwangs­ver­stei­ge­rung, ein allge­meines Verfü­gungs­verbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sowie ein Vermerk über die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über ihr Vermögen und in Abtei­lung III jeweils eine Arres­t­hy­po­thek und eine Siche­rungs­hy­po­thek einge­tragen. Nach Löschung der Zwangs­ein­tra­gungen bean­tragt die Eigen­tü­merin gegen­über dem Grund­buchamt, neue Wohnungs­grund­buch­blätter anzu­legen, aus denen die gelöschten Eintra­gungen nicht mehr ersicht­lich sind.

 

Bishe­riger Prozess­ver­lauf:

 

Das Grund­buchamt hat den Antrag zurück­ge­wiesen. Die dagegen gerich­tete Beschwerde war erfolglos. Mit der von dem Beschwer­de­ge­richt zuge­las­senen Rechts­be­schwerde verfolgt die Eigen­tü­merin ihren Umschrei­bungs­an­trag weiter.

 

Entschei­dung des Bundes­ge­richts­hofs:

 

Der Bundes­ge­richtshof hat die Rechts­be­schwerde der Eigen­tü­merin zurück­ge­wiesen. Eine Löschung der Zwangs­ein­tra­gung im Sinne einer Entfer­nung kommt von vorn­herein nicht in Betracht, weil nicht mehr gültige Eintra­gungen aus dem Grund­buch nicht entfernt, sondern ledig­lich "gerötet" und mit einem Löschungs­ver­merk versehen werden. Aus diesem Grund ist der Antrag der Eigen­tü­merin auch nicht auf eine "echte" Löschung gerichtet, sondern auf die Anlage neuer Wohnungs­grund­buch­blätter, aus denen die gelöschten Eintra­gungen nicht mehr ersicht­lich sind.

 

Ein Anspruch mit diesem Inhalt ergibt sich nicht aus § 28 GBV, da die Wohnungs­grund­buch­blätter weder unüber­sicht­lich geworden sind noch durch eine Umschrei­bung wesent­lich verein­facht würden. Wie das Beschwer­de­ge­richt zutref­fend sieht, kann dieser Vorschrift ein Umschrei­bungs­an­spruch auch nicht im Wege der verfas­sungs­kon­formen Ausle­gung entnommen werden. Die Norm enthält nach ihrem eindeu­tigen Wort­laut keine Verpflich­tung zu der Umschrei­bung eines Grund­buch­blattes nach Löschung einer recht­mäßig zustande gekom­menen Zwangs­ein­tra­gung. Dies beruht auf einer bewussten Entschei­dung des Gesetz­ge­bers, der die lang­jäh­rige einhel­lige Ableh­nung eines solchen Anspruchs in der Recht­spre­chung der Ober­lan­des­ge­richte nicht zum Anlass genommen hat, eine Änderung der Rechts­lage herbei­zu­führen. Dementspre­chend kommt auch eine analoge Anwen­dung der Vorschrift nicht in Betracht, weil es an einer Rege­lungs­lücke fehlt.

 

Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO begründet eben­falls keinen Umschrei­bungs­an­spruch. Die Norm findet nach dem Ausschluss­tat­be­stand des Art. 17 Abs. 3 b) DS-GVO keine Anwen­dung, da die Spei­che­rung und Verar­bei­tung perso­nen­be­zo­gener Daten im Grund­buch zu der Wahr­neh­mung einer Aufgabe im öffent­li­chen Inter­esse erfor­der­lich ist.

 

Schließ­lich kann der geltend gemachte Anspruch auch nicht unmit­telbar aus der Verfas­sung abge­leitet werden. Der Bundes­ge­richtshof hat inso­weit dahin­stehen lassen, ob sich in Erman­ge­lung einer einfach­ge­setz­li­chen Rege­lung aus Grund­rechten über­haupt ein verfas­sungs­un­mit­tel­barer Umschrei­bungs­an­spruch ergeben könnte, da die Betei­ligte durch die Ableh­nung des Umschrei­bungs­an­trags jeden­falls nicht in ihren Grund­rechten verletzt ist. Wird Dritten Grund­buch­ein­sicht gewährt, liegt darin zwar ein Eingriff in das auf diese Daten bezo­gene, durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung des durch die Grund­buch­ein­sicht Betrof­fenen. Dieser Eingriff ist jedoch verfas­sungs­recht­lich gerecht­fer­tigt. Insbe­son­dere entspricht die gesetz­liche Rege­lung dem Grund­satz der Verhält­nis­mä­ßig­keit. Es besteht ein erheb­li­ches öffent­li­ches Inter­esse an der Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Grund­buchs, das zuver­lässig Auskunft über die gegen­wär­tigen und vergan­genen Rechts­ver­hält­nisse an dem Grund­stück geben muss. Es wäre nicht prak­ti­kabel, wenn bei jeder gelöschten Zwangs­ein­tra­gung auf Antrag ein neues Grund­buch­blatt ange­legt und das alte Grund­buch­blatt geschlossen werden müsste. Der damit verbun­dene Arbeits­auf­wand führte bei der Viel­zahl derar­tiger Löschungs­vor­gänge zu einer empfind­li­chen Störung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Grund­buch­ämter. Dem stünde kein erheb­li­cher Nutzen für den betrof­fenen Eigen­tümer gegen­über, weil bei Darle­gung eines berech­tigten Inter­esses auch in das geschlos­sene Grund­buch­blatt Einsicht genommen werden könnte.

 

Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG gebieten eben­falls keinen Anspruch auf die Umschrei­bung von Grund­buch­blät­tern nach der Löschung einer Zwangs­ein­tra­gung.

 

Vorin­stanzen:

 

AG Schö­ne­berg - Grund­buchamt – Beschluss vom 15. Juli 2021 – 40 A FR-3575-31

 

KG – Beschluss vom 5. April 2022 – 1 W 349/​21 – 351/​21

 

Die maßgeb­li­chen Vorschriften lauten:

 

Art. 2 Abs. 1 GG:

 

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfal­tung seiner Persön­lich­keit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfas­sungs­mä­ßige Ordnung oder das Sitten­ge­setz verstößt.

 

§ 12 Grund­buch­ord­nung (GBO):

 

(1) 1Die Einsicht des Grund­buchs ist jedem gestattet, der ein berech­tigtes Inter­esse darlegt. 2Das gleiche gilt von Urkunden, auf die im Grund­buch zur Ergän­zung einer Eintra­gung Bezug genommen ist, sowie von den noch nicht erle­digten Eintra­gungs­an­trägen…

 

§ 28 Grund­buch­ver­fü­gung (GBV):

 

1Ein Grund­buch­blatt ist umzu­schreiben, wenn es unüber­sicht­lich geworden ist. 2Es kann umge­schrieben werden, wenn es durch Umschrei­bung wesent­lich verein­facht wird.

 

Art. 17 Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung (DS-GVO):

 

(1) Die betrof­fene Person hat das Recht, von dem Verant­wort­li­chen zu verlangen, dass sie betref­fende perso­nen­be­zo­gene Daten unver­züg­lich gelöscht werden, und der Verant­wort­liche ist verpflichtet, perso­nen­be­zo­gene Daten unver­züg­lich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

 

a) Die perso­nen­be­zo­genen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder

 

auf sons­tige Weise verar­beitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)

 

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verar­bei­tung erfor­der­lich ist

 

a) …;

 

b) zur Erfül­lung einer recht­li­chen Verpflich­tung, die die Verar­bei­tung nach dem Recht der Union oder der Mitglied­staaten, dem der Verant­wort­liche unter­liegt, erfor­dert, oder zur Wahr­neh­mung einer Aufgabe, die im öffent­li­chen Inter­esse liegt oder in Ausübung öffent­li­cher Gewalt erfolgt, die dem Verant­wort­li­chen über­tragen wurde; (…)

 

Karls­ruhe, den 7. Dezember 2023

 

Pres­se­stelle des Bundes­ge­richts­hofs

76125 Karls­ruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501

 

Quelle: BGH vom 07.12.2023

 

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